Vorstellungen u. Erwartungen zu E-Health Angeboten im IngenieurInnen-Beruf
(Empirisches Forschungsprojekt 2019/2020)
Die aus psychischen Belastungen am Arbeitsplatz entstehenden Anforderungen an das Gesundheitswesen verlangen nach innovativen Versorgungskonzepten wie beispielsweise E-Health- oder M-Health-Angeboten, die mittlerweile auch Coaching- und Therapie-Angebote bei akuten psychischen Belastungen (Depressionen, Angststörungen und Phobien), sowie dem Burnout-Syndrom umfassen. Als Darbietungsformate eignen sich:
- Interaktive Selbsthilfe-Lektionen
- E-Mail-, Chat- oder videobasierte Therapien
- Virtuelle Umgebungen z.B. für Expositionsbehandlungen
- Serious Games zum Training psychotherapeutischer Strategien
- Erinnerungs-, Feedback- und Verstärkungsautomatismen zur Integration von Therapieeinheiten in den Alltag
- Interaktive Monitoring-Elemente für Aktivitätsabfragen und Stimmungsratings
Die Entwicklung spezifischer E-Health-Angebote erfordert Strategien, in die z.B. interdisziplinäres Wissen, Expertenwissen, die Beteiligungen von Mitgliedern der Zielgruppe und Heuristiken einfließen.
Die Akzeptanz telemedizinischer Angebote wurde in verschiedenen Studien erfasst; Zeitersparnis, Distanz, Bequemlichkeit, Kosten, Zugang zu Präventionsmaßnahmen und Anonymität (Stichwort: Stigmatisierung) wurden dabei benannt. In einer Meta-Analyse haben Andersson, Cuijpers, Carlbring, Riper und Hedman (2014) Studien zu psychiatrischen und somatischen Erkrankungen analysiert, in denen die Wirkung angeleiteter Internet basierter kognitiver Verhaltenstherapien (ICBT) mit traditionellen Therapien verglichen wurden, mit im Ergebnis gleichwertigen Gesamteffekten. Zur Einbindung der Zielgruppe in die Entwicklung solcher Angebote wurde im Rahmen dieser Arbeit Vorstellungen und Erwartungen von Ingenieurinnen und Ingenieuren in einer quantitativen Online-Befragung (N = 36) identifiziert. Dabei wurden Daten zum Berufsbild und zum beruflichen Umfeld, zur eigenen Stress-Belastung und zu konkreten Vorstellungen zu und Erwartungen an Online-Interventionen erhoben.
In den Ergebnissen zeigen sich auf der einen Seite die unterschiedlichen Aspekte von Stress-Belastungen im IngenieurInnen-Beruf:
Hervorzuheben ist, dass die Mehrheit der Befragten Ingenieurinnen und Ingenieure beruflichen Stress als normal betrachten und dies auch nicht überbewerten wollen, wobei die zunehmende mobile Erreichbarkeit als sehr belastend erlebt wird. Mehr als die Hälfte der Befragten sehen deutliche Vorteile bei großen Unternehmen und dem öffentlichen Dienst bei der Prävention ihrer Mitarbeiter vor Stress-Belastungen; bei kleinen Unternehmen oder bei Selbstständigen werden diese Möglichkeiten eher als gering eingeschätzt.
Mehr als die Hälfte der Befragten fühlt sich oftmals in Ihrer Tätigkeit gestört, dem entsprechend empfinden mehr als die Hälfte der Befragten oftmals eine diffuse Unzufriedenheit und können auch bei Nebensächlichkeiten schneller aus der Haut fahren. Dem überwiegenden Teil der Befragten fällt es aufgrund ihrer eigenen Arbeitsbelastung schwer, sich gedanklich nach Feierabend von der Arbeit zu trennen. Die Hälfte der Befragten kommt aufgrund dieser Arbeitsbelastung auch nicht dazu, sich ausgewogen und gesund zu ernähren. Eine Folge dieser Belastung ist, dass mehr als die Hälfte der Befragten oftmals nachts wach liegt und gedanklich Probleme im Job hin und her wälzt. Etwa die Hälfte der Befragten empfinden es als beruhigend, in Zeiten hoher Arbeitsbelastung zu wissen, dass sie auch noch abends oder nachts arbeiten könnten, um mit ihren Aufgaben fertig zu werden.
Bei Stress im privaten Umfeld, z.B. in der Beziehung fällt es der überwiegenden Mehrheit der Befragten sehr schwer sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Jedoch hat ebenfalls die überwiegende Mehrheit der Befragten für sich noch keinen praktikablen Zugang zu einer work-life-balance gefunden; bei Themen wie Achtsamkeit, innere Ruhe oder Meditation fehlt vielen der Bezug zum realen Alltag. Aufgrund eigener Stress-Belastungen zu einem Coach oder Psychologen zu gehen, der kein Verständnis für die spezifische berufliche Situation des Betroffenen mitbringt, sehen über die Hälfte der Befragten eher kritisch.
Auf der anderen Seite lassen sich grundsätzliche Einstellungen, aber auch Vorbehalte der Berufsgruppe zu Online-Interventionen erkennen:
Das Problem der Stigmatisierung psychischer Probleme wird deutlich wahrgenommen; hier wird auch ein Vorteil von E-Health-Angeboten gesehen. Gegenüber E-Health-Angeboten ist in den Ergebnissen keine Geschlechteraffinität, wohl aber eine Alters-Präferenz durch Jüngere feststellbar.
Etwa die Hälfte der Befragten ist der Meinung, dass sie durch Online-Angebote in ihrer beruflichen Situation überhaupt erst die Möglichkeit hätten, sich mit Stress-Bewältigung zu beschäftigen. Dominant ist der Wunsch nach einem schnell zugänglichen Erste-Hilfe-Werkzeugkasten zur Stress-Bewältigung in akuten Belastungs-Situationen.
Mehr als die Hälfte der Befragten sind aber auch der Meinung, dass Online-Coachings genauso wirksam sein können wie die klassische Face-to-Face Therapie in einer Praxis, jedoch sehen mehr als die Hälfte der Befragten die Möglichkeit über den PC oder das Smartphone eigene Stress-Belastungen bewältigen zu können nicht unbedingt als positive Option.
Quelle: Schein, C.: "Empirische Untersuchung zu Vorstellungen und Erwartungen an ein spezifisches E-Health-Angebot im IngenieurInnen-Beruf",
Projekt-Arbeit, PFH Göttingen, 2019/2020.